Beim Projekt «Luegisland» haben wir gemeinsam mit dem Baumeister neue Stufen erklommen. Während unser Montageteam ein Geschoss vorab montiert hat, zog das Team der Baufirma im Inneren des Treppenhauses den Massivbau nach. Erfahren Sie in diesem Beitrag, wie wir vorgegangen sind, welche Vorteile sich daraus ergeben und welches Fazit wir gezogen haben.

Hintergrund und Herausforderungen

Insbesondere im mehrgeschossigen Holzbau hat sich der Einsatz betonierter Treppenhäuser häufig als wirtschaftliche und bautechnisch sinnvolle Lösung erwiesen. Der Grund: die Anforderungen an die Statik, den Brandschutz und die Bauphysik lassen sich auf diese Weise zuverlässig erfüllen. Der herkömmliche Ablauf bei Holzbauten mit betoniertem Erschliessungskern sieht üblicherweise eine strikte zeitliche Trennung der beiden Einsatzteams vor. So kann mit dem Holzbau erst begonnen werden, wenn die Baumeisterarbeiten – einschliesslich Fundament und aussteifendem Betonkern – abgeschlossen sind. In der Praxis kann die Zeitspanne zwischen Spatenstich und Holzbaumontage mehrere Monate betragen. Zudem müssen Toleranzen bei allen Anschlüssen zwischen Massivbau und Holzbau meist durch aufwendige und teure Verbindungsmittel gelöst werden. Das bedingt eine Berücksichtigung und Erfüllung statischer Aufgaben, insbesondere was den horizontalen Lastabtrag und die minimalen Anschlussflächen betrifft.

Wie aus einer Idee ein Konzept wurde

Der Gedanke, die Arbeitsabläufe bei der Erstellung des Betonkerns zu überdenken, ist nicht neu. Eine Lösung würde die Bauzeit verkürzen, Anschlussverbindungen vereinfachen, den Umfang der Gerüstbauarbeiten und die Toleranzdiskrepanzen zwischen den beiden Gewerken reduzieren. Das generelle Konzept dieser Überlegung sieht vor, dass die Holzbau- und Massivbauarbeiten parallel, jedoch meist in unterschiedlichen Geschossen bzw. Etappen erfolgen. Dabei geht der Holzbau geschoss- bzw. etappenweise voraus, und der Massivbau zieht nach. Um diesen Lösungsansatz projektspezifisch weiterzuverfolgen, waren entwicklungsrelevante Vorarbeiten nötig, um die Chancen und Risiken umfassender einschätzen und abwägen zu können. Im Fokus der Entwicklung sollte dann ein gesamtwirtschaftlich interessanter und praxistauglicher Lösungsansatz liegen.

Verena Egli, Projektleiterin Generalunternehmung, Renggli AG
Innovation ist Teil unserer Holzbau-DNA. Mit unserem neuen Vorgehen steigern wir die Qualität gegenüber der herkömmlichen Holzbaumontage und sind erst noch schneller. Verena Egli, Projektleiterin Generalunternehmung, Renggli AG

Alles begann mit Fragen

Um die Praktikabilität eines Holz-Beton-Hybrid-Treppenhauses projektspezifisch eruieren zu können, haben sich folgende Fragestellungen und Aspekte als relevant herauskristallisiert:

  • Sind alle Treppenhausgrundrisse gleichermassen geeignet bzw. ist eine Standardisierung Voraussetzung?
  • Ist das Montagekonzept des Holzbaus mit dem des Massivbaus vereinbar (Taktung, Baustelleneinrichtung etc.)?
  • Muss das Treppenhaus für die Holzbaumontage vollumfänglich nutzbar sein?
  • Welche Umsetzungsvarianten bestehen allgemein, und was ist jeweils zu beachten (vgl. verlorene Schalung im Holzbau nutzungsseitig sichtbar / nicht sichtbar in Verbindung mit der Betonbauweise vor Ort gegenüber der Verwendung von Betonhalbfertigteilen)?
  • Was sind die Auswirkungen bei der Nutzung verschiedener Aufbauten der verlorenen Schalung im Zusammenspiel von Verankerung, Frischbetondruck, Anzahl Betonieretappen und Holzbaustatik während der Montagephase?
  • Wie kann wetterbedingten Unterbrüchen begegnet werden, und wie wird der Witterungsschutz gewährleistet?
  • Wie ist die Wirtschaftlichkeit gegenüber der herkömmlichen Methodik zu bewerten?

Zur Beantwortung dieser und weiterer Fragen haben sowohl wir vom Holzbau als auch die Verantwortlichen der Generalunternehmung gewisse Vorüberlegungen angestellt und Vorarbeiten geleistet, um eine Diskussionsgrundlage zu erarbeiten. Insbesondere der nachfolgende interdisziplinäre Austausch während einer engagierten und bereichernden Sparringsrunde sorgte für mehr Klarheit, bestätigte die Praxistauglichkeit und brachte uns in der konzeptionellen Planung entscheidend voran.

Auf der Waagschale: Chancen und Risiken

Konkret wurde es beim Projekt «Luegisland» in der Stadt Zürich. Auf Basis der erlangten Erkenntnisse konnten wir neben den Varianten schematischer Bauabläufe auch Bausysteme und Schnittstellenregelungen erarbeiten, die durch die beteiligten Personen fortlaufend verifiziert und verfeinert wurden. Eine Verfolgung dieses Ansatzes wurde bereits in einem frühen Projektstand positiv bewertet. Einerseits war der Kenntnisstand gut, andererseits überwogen die Chancen, weil die übereinstimmende Meinung vorherrschte, dass allfällige Risiken durch eine frühzeitige und partnerschaftliche Zusammenarbeit bei der Planung und Ausführung minimiert und gemeistert werden können. Explizit wurden folgende Chancen und Risiken der simultanen Arbeitsweise beim Holz-Beton-Hybrid-Treppenhaus evaluiert:

Chancen

  • Erhebliche Bauzeitverkürzung und somit früherer Bezug bzw. frühere Generierung von Mieteinnahmen und Reduktion von Zwischenfinanzierungskosten.
  • Eliminierung aufwendiger Anschlüsse von Holzbau zu Massivbau mit beiderseitigen Vorzügen im Hinblick auf Detailplanung, das Einmessen durch den Holzbaubetrieb sowie den Verzicht auf aufwendige Einlageteile im Massivbau.
  • Erhebliche Reduktion von Massnahmen zum Ausgleich der Toleranzen zwischen Massivbau und Holzbau.
  • Einsparung von Beton durch zusätzliche Brettsperrholzscheiben (verlorene Schalung).
  • Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit führt zu einem besseren gegenseitigen Verständnis der Gewerke.

Risiken

  • Höherer Koordinierungs- und Kommunikationsaufwand aufgrund unerwarteter Aspekte im Bauablauf.
  • Eingeschränktere Platz- und Lagerverhältnisse sowie eine klare Regelung der Kranbelegung.
  • Konflikte und unklare Verantwortlichkeiten aufgrund einer unzureichenden Schnittstellenregelung.
  • Verzögerungen aufgrund einseitiger Unterbrüche, einer zu optimistisch oder zu pessimistisch kalkulierten Taktung bzw. ungleicher Potentiale von Lerneffekten.
Grundlegendes Prinzip der verlorenen Schalung beim HBH-TH
Grundlegendes Prinzip der verlorenen Schalung beim HBH-TH
Bewehrungsarbeiten im Innern des Treppenhauses
Bewehrungsarbeiten im Innern des Treppenhauses
Zusammenspiel von Bewehrungseisen und Holzbauschrauben
Zusammenspiel von Bewehrungseisen und Holzbauschrauben
Schalarbeiten im Inneren des Treppenhauses
Schalarbeiten im Inneren des Treppenhauses
Verbindung von einhäuptiger und verlorener Schalung sowie deren Verstärkung
Verbindung von einhäuptiger und verlorener Schalung sowie deren Verstärkung
Aussenansicht der verlorenen Schalung im Montagezustand
Aussenansicht der verlorenen Schalung im Montagezustand
Montage der Fertigteiltreppe
Montage der Fertigteiltreppe

Das Konzept funktioniert

Die praktischen Erfahrungen haben gezeigt, dass der Ansatz der simultanen Arbeitsweise bei der Treppenhauserstellung sehr gut funktioniert. Neben einer Bauzeitersparnis von ca. zwei Wochen pro Geschoss und Etappe resultierten auch eine gewinnbringende, gewerkeübergreifende Zusammenarbeit und technische Chancen. Die Aufwendungen zum Ausgleich der diversen Toleranzen zwischen Massivbau und Holzbau konnten erheblich reduziert, aufwendige Anschlüsse gar eliminiert werden. Darüber hinaus hat es sich als vorteilhaft erwiesen, bei der Wahl der verlorenen Schalung auf die Montagefreundlichkeit des Holzbaus und ein ausgewogenes Verhältnis von Schichtdicke und Steifigkeit zu achten. Das bedeutet, dass infolge des Frischbetondrucks und der damit verbundenen Verformungen lediglich geringfügige Verstärkungen beim Massivbau zu erwarten sind.

Ein besonderes Augenmerk sollte nach unserer Erfahrung auch auf die Baustelleneinrichtung gelegt werden. Klar definierte Anlieferungszonen für Holzbau und Massivbau sowie der Einsatz von leistungsfähigen Kranen in ausreichender Anzahl sind unentbehrlich. Eine frühzeitige, partnerschaftliche und dezidierte Schnittstellenregelung sowie eine zielgerichtete Kommunikation wird ebenfalls als matchentscheidend eingestuft.

Unser Fazit 

Das Konzept ermöglichte nicht nur eine starke Verbindung zwischen den Baustoffen Holz und Beton, es hat auch die Verbindung zwischen den Planenden, den Projektleitungen und den ausführenden Fachkräften nachhaltig gestärkt. Fazit: Sofern sich das Projekt eignet und der Wille aller Beteiligten besteht, werden wir einmal mehr dieses Konzept anwenden und Betonbau und «Holzbau Weise» verbinden.

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«Das Konzept des Holz-Beton-Hybrid-Treppenhauses: gemeinsam, zeitgleich und zielgerichtet arbeiten»

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