In den letzten Jahren sind immer innovativere gemeinschaftliche Wohnprojekte entstanden, die häufig «bottom up» initiiert wurden.

Gleichzeitig haben aber auch einzelne institutionelle Anleger auf den Trend reagiert und sich im interdisziplinären Austausch für innovativere Wohnformen begeistern lassen. Während der Markt allzu oft die übergrossen, auf absolute Privatsphäre bedachten Typologien der postfordischen Familie reproduziert, konnten wir mit zwei verschiedenen Anlegern zwei innovative Wohnüberbauungen basierend auf einem gemeinschaftlichen Verandakonzept bauen, welches sich an den norditalienischen «Case di ringhiera» orientiert und den Archetyp auf die jeweilige Aufgabe adaptiert bzw. interpretiert.

Die «Case di ringhiera», zu Deutsch die Geländerhäuser, wurden im 20. Jahrhundert vorwiegend in der Lombardei und im Piemont als städtische Wohnanlage für die Arbeiterschicht gebaut. Meist um einen gemeinschaftlichen Innenhof gruppiert und über umlaufende Balkone erschlossen, wurde durch die Vermischung von privatem Balkon und gemeinsamer Erschliessung eine starke Nachbarschaft generiert. Die Schwarz-Weiss-Bilder des italienischen Neorealismo zeugen von der Lebendigkeit und Intensität dieser Nachbarschaft.

Bei den Wohnanlagen in Bellinzona und in St. Gallen wurden diese Balkone/Laubengänge zu eigentlichen Veranden erweitert. Die überbreite gemeinschaftliche Verkehrsfläche wird mit privaten Sitznischen angereichert und so zum Begegnungsort der Nachbarschaft. Auf der Veranda bringen sich die Bewohner als Teil der Gemeinschaft ein. In dieser «Zone de frontage» erfolgen der tägliche spontane Austausch mit der Nachbarsfamilie, der Treff der gleichaltrigen Jugendlichen auf dem Geschoss, der geplante Apéro mit der Nachbarsfamilie, das Treffen des jungen Paars mit der Alters-WG von nebenan oder die zufällige Begegnung mit dem Besuch der Nachbarn. Diese Schicht dient ebenso als das erweiterte Spielzimmer der Kinder auf dem Geschoss als auch als private Essraumerweiterung in den Sommermonaten.

Damit dieser Mehrwert an Gemeinschaftsraum angeboten werden kann, sind die Wohnungen entsprechend programmiert und so kompakt wie möglich gehalten. Dank den durchgesteckten Wohnräumen, dem Wintergarten und der Mehrheit der Zimmer auf der gegenüberliegenden Fassadenseite bleibt der nötige private Rückzugsort gewährleistet. In beiden Projekten wird zwischen den Verandaschichten ein gemeinschaftlich bespielter Binnenraum als eigentliches Herz der Anlage aufgespannt. Veranden und Binnenraum laden sich so gegenseitig mit Gemeinschaft auf und wirken gemeinsam gegen Isolierung.

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«Verandahaus neu interpretiert»

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