Der alte Fischerhof in Oberkirch bestand aus einem Wohnhaus, einer Scheune und einer Remise. Hier ein 08/15-Objekt hinzustellen, verbietet der Respekt vor dem ländlichen Kulturgut. Der neue Fischerhof war deshalb eine architektonische Herausforderung.

Situationsplan mit Wohnhaus, Remise, Scheune, Teich und Zufahrtsstrasse
Wohnhaus (links), Remise (oben rechts) und Scheune (unten links) neu interpretiert als Hof.

«Wesensgleich» hiess das Schlüsselwort in den Auflagen zum Neubau des Fischerhofs, auf dass ich die Gemeinde Oberkirch, das Amt für Raum und W irtschaft (rawi), die kantonale Denkmalpflege und die Vereinigung Pro Sempachersee geeinigt haben. Wesensgleich bauen heisst: Bitte so bauen, dass man keinen frappanten Unterschied zwischen vorher und nachher sieht. Dort, wo ein Wohnhaus, eine Scheune und eine Remise stehen, sollen vom optischen Eindruck her auch künftig ein Wohnhaus, eine Scheune und eine Remise stehen. Wesensgleich heisst zum Beispiel, dass die Fensterfläche gleich bleiben soll. Zudem ist selbstverständlich nur ein Holzbau zu einem Holzbau wesensgleich und ein Satteldach zu einem Satteldach.

Viergeschossiges Mehrfamilienhaus mit Holzfassade, Garten und Teich
Ästhetischer Ein- und Ausblick: Die Bauauflagen der gleichbleibenden Fensterfläche haben wir mit Holzlatten als Sicht- und Windschutz erfüllt.
Mischa Palmers, Bauherr und Investor
Mir gefällt die schnörkellose Form des Wohnhauses – ohne Regenrinne und Vordach. Mischa Palmers, Bauherr und Investor

Gleichwohl unterscheiden sich heutige Wohnansprüche deutlich von jenen einer Fischerfamilie von anno dazumal. Die Kunst des Renggli-Architekten Andreas Garraux bestand also darin, ein altes Bauerngehöft als Mehrfamilienhaus mit Mietwohnungen in die moderne Zeit zu übersetzen. Da richtet sich der Fokus schnell auf die Fassade: Wie interpretiert man eine über 200-jährige, sonnenverbrannte, alte Bauernhausfassade für einen Neubau? Antwort: mit einer Fassade aus gebrannter und gebürsteter Lärchenholzschalung. Der optische Eindruck ist fast derselbe.

Besonders hilfreich für die Wesensgleichheit war, dass sich die Form des Mehrfamilienhauses stark an die ursprüngliche Hausform anlehnt. Bei flüchtiger Betrachtung erkennt man den Neubau nicht. Umso verblüffender wirkt die moderne architektonische Handschrift bei näherem Herangehen und Hineinsehen. Auf ebenmässigen Fassadenflächen sitzt schnörkellos ein perfektes 45°-Steildach. Kein Vordach, keine aussenliegende Dachrinne stört die puristische Ästhetik. Im Innern wissen drei helle, kompakte Wohnungen mit einem klugen Grundriss und viel Komfort zu gefallen, etwa mit der feinen Akustikdecke oder dem riesigen Hebefenster in der Attikawohnung. Sehr clever gelöst ist zudem der Spagat zwischen amtlicher Auflage nach gleichbleibender Fensterfläche und dem Bedürfnis der Bewohner nach Sicht und Licht. Holzlatten als Sicht- und Windschutz erlauben Fensteröffnungen ohne Fassadeneinschnitte. Von aussen sind die Fenster hinter den Holzlattungen fast nicht sichtbar, aber für die Bewohner sind sie angenehm real.

Esszimmer mit Tapetenkunst von Moodesign, Rita Krasniqi
Tapetenkunst: Die Mieterin der Erdgeschosswohnung, Rita Krasniqi, hat bereits vor dem Einzug ihr Talent und ihre Kreativität ausgelebt.
Esszimmer von Galerie oben fotografiert mit Parkett
Attikawohnung: Der Mieter Marco Chiappori geniesst mit seiner Partnerin Stephanie Sahli u.a. den Luftraum inkl. integrierter Akustikdecke.
Wohnzimmer mit grossem Hebefenster und Blick zu den Bäumen
Grosses Hebefenster: Es erlaubt einen wunderbaren Blick auf den Sempachersee.
Andreas Garraux, Architekt, Renggli AG
Das neue Holzbau-Ensemble schlägt mit seiner Materialisierung und Formsprache eine Brücke zu seinen Vorfahren. Andreas Garraux, Architekt, Renggli AG

Auch im Innenausbau, so könnte man meinen, ging es darum, der Wesensart des alten Gebäudes nachzueifern. Holz so weit das Auge reicht: Boden, Wände, sichtbare Akustik- und Holzdecken und das Treppenhaus nutzen den alten, modernen Baustoff konsequent. Auf einen Lift wurde bewusst verzichtet. Selbstredend ist ein Gebäude mit so viel neuzeitlicher Holzbautechnik nach Minergie-A zertifiziert. Auch die Scheune und die Remise wurden folgerichtig in Holzbauweise erstellt; sie dienen als Garagen und Abstellräume. Der neue Fischerhof steht heute so modern und doch so wesensgleich in der herrlichen Landschaft von Oberkirch, wie wenn er schon immer so dagewesen wäre.

Details zum Bauprojekt

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Über den Autor

Porträtfoto Texter Markus Gabriel
Markus Gabriel

Markus Gabriel ist Inhaber und Creative Director bei der Agentur Angelink. Er schreibt seit Jahren Texte für das Renggli-Kundenmagazin «Faktor Raum» und den Fachblog.

Kommentare zu
«Wenn die Ästhetik Hof hält»

Kommentare (2)

    18.04.2020

    A. Birrer

    Guten Tag
    Ein gelungenes Objekt, mit einer einleuchtenden Fassadenwahl. Wie sieht der Unterhalt einer gebrannten und gebürsteten Fassade aus?

    Guten Tag Herr Birrer

    Herzlichen Dank für Ihren freundlichen Kommentar und das Kompliment.

    Bei der gebrannten und gebürsteten Fassade verhält es sich ähnlich wie bei einer Verwitterungslasur:
    - Die Oberfläche ist nicht ausgelegt für eine dauerhafte Farbgebung, es kann durch Abwitterungen zu Farbdifferenzen kommen
    - Eine regelmässige Kontrolle der Fassade ist empfohlen im Bezug auf Ablösungen, Formveränderungen und Verschmutzungen
    - Eine Nachpflege ist nicht notwendig, aber auch nicht möglich

    Wir hoffen Ihnen mit diesen Angaben gedient zu haben.

    Tipps zur Fassadenpflege gibt Ihnen übrigens unser Fachspezialist Roman Meier in einem weiteren Blogbeitrag: https://www.renggli.swiss/de/blog/tipps-zur-fassadenpflege/

    Beste Grüsse
    Regina Staffelbach, Renggli AG

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