Anfangs Juni 2022 durften wir Interessierte in Rudolfstetten zur Besichtigung des achtgeschossigen Wohn- und Geschäftshaus «am Mühlebach» begrüssen. Dies freut mich sehr, denn Holzbau liegt im Trend. Bei dieser Veranstaltung kam immer wieder folgende Frage auf: Wo liegen die Grenzen des Holzbaus?

Als die Renggli AG 2006 das erste sechsgeschossige Holzhaus im Minergie-Standard in der Schweiz realisierte, stand ich noch am Start meiner Zimmermannslehre. Damals lag die Grenze des Holzbaus bei vielen Zimmereien beim Dachstuhl. Selten hörte man von Einfamilienhäusern in Holz.

Diese Grenze haben wir längst übertroffen. Mittlerweile hat sich die Holzbaubranche zum ernstzunehmenden Objektbauer entwickelt. Früher sprach man denn auch von Zimmereien, heute von Holzbauern. Die innovativen Unternehmen von damals verschoben diese Grenze sichtbar, so dass viele Dorfzimmereien heute das Know-How haben, zusammen mit Partnern ganze Einfamilienhäuser zu realisieren. Doch viele im Holzbau orientieren sich heute nicht mehr an Einfamilienhäusern. Längst haben Schweizer Investoren die vielfältigen Stärken des Holzbaus entdeckt und realisieren Arealüberbauungen, wie die Beispiele der Pensionskasse Previs mit dem Waldacker in St. Gallen oder die Zürcher Freilager AG mit den Längsbauten in Albisrieden/Zürich zeigen. Der Holzbau orientiert sich an immer höheren Zielen. Bereits wurden einzelne Holzhochhäuser realisiert und die 100-Meter-Grenze wird auch in der Schweiz bald fallen.

Doch weshalb wurden diese Grenzen dermassen verschoben?

Zum einen liegt dies an den überarbeiteten Brandschutzvorschriften. Intensive Forschungsarbeiten konnten aufzeigen, dass Holz, entgegen dem veralteten Gedankengut, im Brandfall sehr viele wertvolle Eigenschaften mitbringt. Beispielsweise dient das Verkohlen als natürlicher Schutzfaktor. Weiter sind die Nachhaltigkeit und das Konzept Netto-Null weitverbreitete Unternehmensziele. Das Verlangen nach dem nachwachsenden Rohstoff Holz wurde auch durch die «Grüne-Welle» beschleunigt. Der bewusste Umgang mit Ressourcen, wie es unsere Vorfahren kannten, ist erneut auf dem Vormarsch. Doch die älteste Bauweise der Welt musste sich ihren Platz wieder erkämpfen. Durch die schnelle und exakte Arbeitsweise, den hohen Vorfertigungsgrad, der detaillierten Planungstiefe und dank der Wirtschaftlichkeit ist Holzbau wieder im Trend. 

Doch warum sollte Holzbau wirtschaftlicher sein im Vergleich zu alternativen Baumöglichkeiten?

Dass eine Renaissance des Holzbaus überhaupt möglich war, hängt vor allem mit der Innovationskraft der Holzbauer zusammen. Sie kennen die Stärken ihres Rohstoffs. Sie scheuen sich jedoch nicht, auf verschiedenste andere Baustoffe zurückzugreifen. So ist der moderne Holzbau längst eine Mischform aus mehreren Baustoffen. Wir sehen den Holzbau nicht als Insellösung, sondern beurteilen jedes Projekt individuell nach dessen Stärken sowie Schwächen. So setzen wir je nach Anforderungen die optimale Bauweise ein. 

Der moderne Holzbau steht für Genauigkeit und Sicherheit - hinsichtlich Termine, Kosten und Planungsgrundlagen. Denn die beschleunigte Bauform in der Kombination mit den oben erwähnten Mischformen sorgt für eine spürbar verkürzte Realisierungszeit. Dies freut Investoren, die termingerecht und schneller (Miet-)Erträge erzielen können.

Von der Betondecke zur Holz-Beton-Verbunddecke

Beim Wohn- und Geschäftshaus in Rudolfstetten, wo unser Event stattgefunden hat, wurde das bewilligte Projekt nachträglich vom Massivbau zu einem Holzbau in Mischbauweise umgeplant. Dies zeigt die Flexibilität unserer Partnerarchitekten, Fachplaner und unseres Rohstoffs auf. 

Empfehlenswert ist dieses Vorgehen allerdings nicht, da es mit doppeltem Planungsaufwand und zusätzlichen Kosten verbunden ist. Und eine Garantie, dass ein Projekt umgeplant werden kann, besteht  ebenfalls nicht. In Rudolfstetten meisterte unsere Generalunternehmung diese Hürde jedoch bravourös und konnte das Projekt vorbildlich realisieren.

Die Materialwahl als Schlüssel zum Erfolg

Bewusst setzten wir auf eine Holz-Beton-Verbunddecke mit Stahlarmierung, um die Rauminnenhöhen einhalten zu können. Der Treppengrundriss wurde so angepasst, dass jedes Deckenelement über die gleiche Spannweite verfügt. Das vorgängig erstellte Treppenhaus wurde mit erhöhter Genauigkeiten erstellt, damit der massive Kern ähnliche Toleranzen wie der anzuschliessende Holzbau aufweist. Die verwendete Brettsperrholzdecke dient als Bodenkonstrukion während der Rohbaumontage und hat eine sichtbare Untersicht. Diese Holzplatten ermöglichten uns eine fortlaufende Montage über alle Geschosse. 

Weiter haben wir die Brettsperrholzdecke als Schalungselement für den Ortbeton genutzt. Die Gebäudehülle des Holzbaus inkl. Fenster und Fassade wurde im Renggli-Werk in Schötz vorfabriziert. Diese Bauweise ermöglichte eine Montage des kompletten Rohbaus in weniger als einem Monat. 

Was bedeutet eine «modulare Denkweise»?

Baustelle mit Treppenhaus in Stahl-Beton. Gerüst für die Monate der Wand- und Deckenelemente. Ein Kran hebt ein langes Wandelement in der Höhe.
Wandelemente in Holzsystembau, die rohen Deckenelemente in Massivholz als Basis für die Holz-Beton-Verbunddecken und das Treppenhaus inkl. Liftkern in Stahl-Beton: So haben wir das Gebäude in Rudolfstetten aufgerichtet.
Bild: Dideco AG

Wenn wir von der modularen Planung sprechen, meinen wir nicht den Modulbau. Vielmehr verstehen wir darunter das Denken in geschlossenen Einheiten. Dies können Wohnungen, Nasszellen, Küchen oder Steigzonen sein. Die Absicht besteht darin, einen Wiederholungeffekt zu erzielen und trotzdem gestalterische Freiheiten zu ermöglichen. So können die Kunden alle Geschosse, welche dieselbe Bruttogrundfläche aufweisen und unter Berücksichtigung gewisser Parameter, die Wohneinheiten frei zusammenstellen. Beim Projekt in Rudolfstetten sind das Wohnungen mit 1.5, 2.5 oder 3.5 Zimmer. Wenn sich Einheiten wiederholen, können die Planungskosten reduziert und auf mehr Fläche verteilt werden. In Rudolfstetten haben wir so 28 identische Küchen, Nasszellen, Lüftungsmodule, Loggien, Schreinerfronten etc. realisiert. Der Wiederholungseffekt durch grosse Stückzahlen reduziert nicht nur den Planungsaufwand, sondern gibt dem ausführenden Mitarbeitenden Sicherheit durch wiederkehrende Arbeitsschritte.

Grundriss mit Treppenhaus und Lift sowie vier Wohnungen à 1 ½, 2 ½ oder 3 ½ Zimmer
Grundrisstypen im Wohn- und Geschäftshaus in Rudolfstetten, welche windmühlenartig um den Treppenkern angeordnet sind

Doch wo ist nun die Grenze? Wo sehen Sie die Grenze?

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Kommentare zu
«Wo liegen die Grenzen des Holzbaus?»

Kommentare (4)

    24.11.2022

    IG bio-top r.+r gabathuler

    Sehr geehrte geschäftsleitung

    ...Eigentlich ein super-projekt:
    -geniale grundrisse!
    -modular vom feinsten!
    -das richtige baumaterial:-holz!-..dank hightech 8-stöckig!!
    ..im STÄDTISCHEN wohnbaukontext genau richtig.

    .....Aber vergesst die andere kunst der "holzbauabteilung" nicht:

    ..auf dem lande und in der agglo braucht es vermutlich, (ganz banal) -auf den grösseren baugrundstücken auch dringend ALTE BÄUME, -hier und jetzt- (das klima grüsst!), und damit verknüpft, neue betrachtungen bezüglich erhalt modernisierbarer alter bausubstanz, entwicklungen von "smaller-space- living, tinyhouse, clusterwohnen, oder anders ausgedrückt SANFTERER INNERER verdichtung"!
    ...es gibt übrigens diesen markt, ..-zunehmend!

    Aber eben "aber":
    ...das tolle gebäude steht am vermutlich fatal falschen ort. Hier ist es gegenüber der nachbarschaft zumindest auf dem foto brutal, anmassend und unsensibel, wie wenn es diesbezüglich ausstrahlen würde: ...verschwinde endlich, mach unseren "künftigen elefanten-compagneros" platz, -bäume braucht es hier nicht und,- nie mehr !
    Die foto weist auf eine eher kleinstädtische lage hin,...aber wäre es falsch, kurz zu fragen, wo denn hier auf dem grundstück die ALTEN BÄUME stehen.....!

    PS: Leider liefert die aktuelle WIRSCHAFTSLEHRE als entscheidungsgrundlage keine gute PRIMÄE basis für der welt ganzheitlich zuträgliche entscheidungen. Ich glaube sie braucht diese dringend. Falsche entscheide sind zuäztlich nur noch "toxisch".

    Mit freundlichem gruss
    IG bio-top
    rico gabathuler





    Lieber Herr Gabathuler

    Danke für Ihren schönen Kommentar mit den vielen Komplimenten. Es freut uns, wenn unsere Holzbaugebäude so gut ankommen.

    Das Foto erweckt tatsächlich bezüglich Verdichtung einen, schreiben wir mal, «speziellen» Eindruck. Daher können wir Ihr «Aber» gut nachvollziehen. Was Sie auf dem, diesbezüglich supoptimalen Foto, nicht erkennen können ist, dass dieser Achtgeschosser das Ergebnis eines Gestaltungsplans ist. Er ist der Auftakt zu einer grösseren Überbauung, die in den nächsten Jahren dort auf priatem Grund realisiert wird.

    Grundsätzlich finden wir, ist die Verdichtung gerade an Zentrumslagen sinnvoll, wo zudem eine gute ÖV-Anbindung vorhanden ist. Das Wohn- und Geschäftshaus liegt direkt neben dem Bahnhof Rudolfstetten, womit unserer Meinung nach eine Verdichtung passt.

    Falls Sie in den nächsten Wochen in der Region sind, empfehlen wir Ihnen einen Augenschein vorzunehmen. Viel Vergnügen!

    Liebe Grüsse,
    Jeanine Troehler, Renggli AG

    17.09.2023

    Julian Zotter

    Liebes Renggli Team, liebe Leser!

    Bei der Frage nach der möglichen Höhengrenze würde ich zwischen

    [1] Holz-Hochhäusern (aus Holz, respektive Primärtragstruktur aus Holz oder besser gesagt Leimholzprodukten wie CLT und GLT oder LVL)
    und
    [2] Hybrid-Hochhäusern mit Holz (Mischbauweise mit massivem Kern und Holzprodukten für Decken und Wände, bzw. HBV-Decken)
    unterscheiden.

    Bei Holzhochhäusern wo die primäre Abtragung der vertikalen Lasten über Holzbauteile erfolgt, würde ich aufgrund der über die Höhe aufzusummierenden Holzstauchungen (z.b. Stützenstauchung, column shortening) und der damit verbundenen Unsicherheiten bzw. zwängungsbedingten Schnittkraftumlagerungen bei 100m eine sinnvolle Grenze sehen. Dabei spreche ich aus meiner Erfahrung vom Hoho Wien, dem Holz-Hybridhochhaus mit 24 oberirdischen Stockwerken und rund 84m Höhe.

    Im Falle von Hybridbaulösungen (Holz kombiniert mit Beton) kann man mithilfe von Stahlbeton oder Spannbeton sowie Verbundkonstruktionen das Höhenlimit vielfach steigern. Zum Beispiel durch Outrigger-Systeme und Lasttransferkonstruktionen, welche die Stabilität von Shell-and-Core-Hochhauskonstruktionen verbessern und durch die Lastumlagerung zum Kern hin auch die Stauchungen in den Stützen minimieren. [https://theconstructor.org/exclusive/outriggers-high-rise-building/247964/]

    Sumitomo Forestry plant in Tokio sogar ein 350m hohes Holzhaus, den Plyscraper W350, welcher allerdings auch ein Hybridbau sein wird. Bei einem Wienbesuch der Projektentwickler aus Tokio wurde uns mitgeteilt, dass ein Team von Forschern die passende leistungsfähige Materialtechnologie noch entwickeln wird und zwar in Richtung hochfester Faserverbundwerkstoffe mit Holz und hochfesten Fasern aus Glas oder Karbon (CFK, GFK). Newsbeiträgen zufolge soll ein Stahlgerüst den Holzturm versteifen.

    [https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/architektur/plyscraper-w350-das-hoechste-geplante-holzhochhaus-der-welt/]

    Last but not least will ich noch die Anwendung von Holzbauprodukten wie Brettschichtholz aus Furnierschichtholz ansprechen, wo z.b. im Falle der Pollmeier Baubuche aufgrund des hohen Klebstoffanteils zur Fügung der Buchenfurniere sogar Festigkeiten im Bereich hochfester Betone erreicht werden. Für die Stützen beim Hoho in Wien wurde das Produkt ebenfalls untersucht, jedoch wurden dabei die Stützenquerschnitte so klein, dass die Pressung auf die Betonrandträger überschritten war bzw. aus konstruktiven Gründen die Querschnitte wieder vergrößert werden mussten.

    Künftig sollten die Materialien und Bausysteme so eingesetzt werden, dass diese effizient und ressourcenschonend sind, sprich jedes Material mit seinen Vorzügen. Bei hybriden Bauweisen kommt es auf die optimale Mischung an Holz, Stahl, Beton und möglicher anderer Werkstoffe an. Von einer reinen Leistungsschau für das höchste Holzhochhaus halte ich wenig, wir sind ja nicht in Dubai.

    Meine Frage an alle Interessierten lautet: Wo liegt die Grenze für die Bezeichnung Holzhochhaus (50% Holz in Haupttragstruktur?) und ab wann spricht man von einem Holzhybridhochhaus und bis zu welcher Höhe macht es Sinn in bzw. mit Holz zu bauen?

    MfG, Julian Zotter
    www.zotterconsult.at

    19.09.2023

    Alain Barmettler

    Vielen Dank für Ihre Frage, die leider nicht pauschal beantwortet werden kann. Das angesprochene Projekt in Tokio befindet sich nach unserem Kenntnisstand noch in der Projektstudienphase. Ob und in welcher Form es realisiert wird, ist daher noch offen. Generell stellen wir fest, dass die Wirtschaftlichkeit von sehr hohen Hochhäusern auch kritisch beurteilt wird.

    Aus unserer Sicht geht es prinzipiell darum, durchdachte, klimagerechte und nachhaltige Gebäude zu realisieren. Dazu sollte die CO2-Neutralität angestrebt werden. Dies unabhängig des prozentualen Anteils des verbauten Werkstoffs «Holz» im Gebäude.

    In unserem nationalen Marktumfeld liegt die Grenze derzeit bei ca. 100 Metern. Dies ergibt sich aber auch aus den aktuellen Brandschutznormen. Einen zeitgemässen Holzbau, der alle Dimensionen der Nachhaltigkeit - also Ökonomie, Ökologie und Soziales - berücksichtigt, sehen wir aktuell die Grenze bei 9 bis 10 Geschossen.

    Beste Grüsse

    Alain Barmettler, Renggli AG

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