Können wir energiesparend bauen und trotzdem komfortabel wohnen? Wir haben bei einem Miteigentümer der ersten Passivhaussiedlung der Schweiz nachgefragt. Er erzählt von seinen Erfahrungen und was er heute anders machen würde.

Es war ein Novum, damals 1999: Mithilfe des europäischen Forschungsprojekts «Cerpheus» bauten wir die erste Passivhaussiedlung der Schweiz - sogenannte Nullenergiestandard-Häuser.

Ansicht von Süden

Damals kurz nach Erstellung 1999: Die erste Passivhaussiedlung der Schweiz in Nebikon

Das Ziel war, möglichst ohne Fremdenergie und ohne Heizung auszukommen. Um den jährlichen Energiebedarf selber zu decken, benötigten die fünf Reihenfamilienhäuser deshalb

  • eine sehr gute Wärmedämmung (bis zu 40 cm)
  • eine sehr gute, luftdichte Gebäudehülle in Holzbauweise
  • eine Lüftungsanlage mit Kleinst-Wärmepumpe und Plattenwärmetauscher
  • ein Erdregister zur Lüftungsanlage unter den fünf Reihenfamilienhäusern, um die frische Zuluft in Röhren im Erdreich zu temperieren
  • nach Süden ausgerichtete grosse Fensterfronten, um im Winter die Energie der Sonnenstrahlen zu nutzen
  • die Abwärme von Elektro-Haushaltgeräten (Kühlschrank, Tiefkühler, Kochherd, Backofen, Bügeleisen usw.) und die Körpertemperatur der im Haushalt lebenden Personen
  • möglichst wenige Wärmebrücken (= geringer Energieverlust)

Möblierter Wohnraum mit Sicht in den verschneiten Garten

Wohnraum eines der Passiv-Häuser im Jahre 1999

1999 haben wir fünf Häuser zusammen mit Dr. Wolfang Feist (D) und weiteren Partnern (CH) realisiert und als erste "Passivhäuser" in der Schweiz zertifiziert. Ursprünglich waren 17 Einheiten in mehreren Etappen geplant. Doch die Bevölkerung war damals noch nicht bereit, ein «Haus ohne Heizung» zu kaufen. Heute sind alle fünf Reihenfamilienhäuser verkauft. Ich habe unseren Leiter Kostenmanagement, Guido Burgener, interviewt. Er wohnt mit seiner Familie seit Anfang an in einem Eckhaus der Siedlung.

Guido Burgener mit seiner Familie vor seinem Passivhaus.

Guido Burgener mit seiner Familie – Mieter der ersten Stunde und heute Eigentümer.

Guido, seit fast 17 Jahren wohnst du im Passivhaus. Wie hast du diese Zeit erlebt?

Es freut uns sehr, im ersten Passivhaus der Schweiz zu wohnen und wir sind stolz, seit Beginn ein Teil dieses Forschungsprojektes zu sein.
Zu Beginn war es etwas ungewohnt. Für mich, aber auch für meine Frau, die in der Dominikanischen Republik aufgewachsen ist und warme Temperaturen mag. Wir waren skeptisch: „Ein Haus ohne Heizung, in der Schweiz ?“. Damals, 1999, war das ein wahnsinniger Gedanke. Auch heute noch staunen Besucher, wenn wir ihnen unser Haus "ohne Heizung" zeigen.

Seid ihr glücklich in eurem Haus?

Ja, es gefällt uns sehr hier! Es ist unglaublich, wie gut die stark gedämmte und dichte Gebäudehülle die Wärme im Haus zurückhält - wie ein Schaf mit einem sehr, sehr dicken Pelz. Deshalb wärmt die Abstrahlung von internen Wärmequellen die Wohnung sehr schnell auf. Bereits ein paar Kerzen oder ein Racletteofen erwärmen die Luft in einer Stunde um mehr als 1 Grad. Nebenbei bemerkt möchten wir nicht mehr auf die Komfortlüftung verzichten, denn "Käsegeruch nach dem Fondueabend" oder "schlechte Luft" kennen wir nicht.

Was war eure grösste Befürchtung?

Im ersten Winter waren wir für vier Wochen in der Karibik in den Ferien. Kurz nach unserer Abreise ist die Kleinstwärmepumpe der Lüftung, bedingt durch einen technischen Defekt, ausgestiegen. Als wir dann zurückkamen, war das natürlich ein Schock. Draussen war es in diesem Februar sonnig, aber minus 12° Grad Celsius.
- Und drinnen? - Ohne Heizung und ohne unsere Abstrahlungswärme erwarteten uns dennoch stolze plus 17 Grad! Innert kurzer Zeit hatten wir dann wieder angenehme Temperaturen. Aufgrund dieses positiven Erlebnisses haben sich alle unsere früheren Befürchtungen in Luft aufgelöst.

Unsere Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass es im Winter bei Nebel ohne Sonneneinstrahlung schwierig ist, über längere Zeit die Raumtemperatur auf 22 Grad zu halten. Deshalb haben wir vor ein paar Jahren die Lüftung mit einem PTC-Element nachgerüstet. Dieses PTC-Element mit Keramikplatten ist an zwei Stellen in der Lüftungsleitung eingebaut und wärmt die Luft bei Bedarf zusätzlich um ein paar Grad auf.

Ihr habt weder Radiatoren noch eine Bodenheizung. Wie heizt ihr und wie wärmt ihr das Wasser auf?

Über die kontrollierte Wohnraumlüftung mit integrierter Kleinstwärmepumpe wird die Luft aussen angezogen und über eine längere Distanz durch ein Erdregister geführt. Dabei wird sie auf die konstante Bodentemperatur im Erdreich erwärmt (ca. 5-8° Grad Celsius). Die Wärmerückgewinnung des Lüftungsgerätes wärmt die Aussenluft dann über den Wärmetauscher mit der warmen Abluft auf ca. 16-17 auf. Danach bringen Kleinstwärmepumpe und PTC-Elemente die Frischluft noch auf die gewünschte Raumtemperatur (ca. 20-23° Grad Celsius).
Die Kleinstwärmepumpe produziert auch die nötige Wärme für das Brauchwarmwasser. Die Isolationsschicht der Gebäudehülle ist ca. 40 cm dick und hält die Wärme im Haus. Bei Sonnenschein wird auch diese Wärmeeinstrahlung genutzt und über die Fenster (mit Dreifach-Isolierverglasung, U-WertG = 0,5 W/m2K) in die Wohnräume geführt.

Das Haus ist sehr sparsam und energieeffizient. Monatlich fallen so für uns totale Energiekosten von ca. CHF 130 an, dies für den gesamten Haushalt, das Warmwasser- und den Strom der Lüftungsanlage. Das ist für unser Haus mit 120 m2 Nettofläche sehr wenig.

Wie erlebt ihr heisse Sommer?

Im Sommer beschatten wir unser Haus. Wenn wir das konsequent machen, die Fenster tagsüber geschlossen halten und frühmorgens allenfalls querlüften, bleibt es dank der dicken Isolationsschicht relativ kühl im Haus. Wir bleiben damit meistens unter dem vom SIA geforderten Limit von ca. 26° Grad Celsius. Ein kleiner Planungsfehler war zu Beginn allerdings, dass anstatt einer Knickarm-Markise beim grossen Wohnzimmerfenster nur Vertikalmarkisen angebracht wurden. Bei geschlossenen Storen konnten wir nicht nach draussen in den Garten sehen. Das wurde jedoch bereits im ersten Jahr geändert.

Was würdet ihr heute anders machen?

Unsere Siedlung wurde damals wegen der fehlenden Heizung möglichst kompakt und ohne Wärmebrücken gebaut. Deshalb haben wir innen keinen Kellerabgang, sondern müssen – auch bei schlechtem Wetter – nach draussen. Mittlerweile haben wir uns daran gewöhnt. Die nachfolgenden Passiv- und Minergie-P-Häuser von Renggli haben den stark gedämmten Kellerabgang direkt im Haus integriert.

Dein Fazit: Energiesparend bauen und komfortabel wohnen funktioniert?

Zusammenfassend können wir sagen, dass wir sehr gerne in unserem Passivhaus wohnen und die vielen Vorteile einige wenige Nachteile bei weitem übertreffen. In den letzten sechzehn Jahren als Mieter haben wir uns so gut eingelebt und identifizieren uns so stark mit unserem Heim, dass wir letzten Dezember die Gelegenheit genutzt haben, das Haus zu kaufen. Gott sei Dank, haben sich dazu alle Türen geöffnet. An dieser Stelle bedanken wir uns deshalb speziell bei der Firma Renggli AG und allen Beteiligten, die das ermöglicht haben.

Ich denke, dies ist das beste Bekenntnis zum Passivhaus. Oder wer würde ein Haus kaufen, von dem er nicht 100-prozentig überzeugt wäre?

 

Kommentare zu
«17 Jahre danach: Erfahrungen mit der ersten Passivhaussiedlung der Schweiz»

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar